In unserer heutigen Kolumne stellen wir Ihnen ein Kälbchen vor. Keine junge Kuh, passend zum Niederrhein, sondern ein Oldtimer-Motorrad auf zwei Rädern. Jan-Simon, schon länger Mitglied bei den Oldtimerfreunden Schermbeck, erzählt eine kleine Geschichte rund um sein Motorrad. Er zeigt uns sein Motorrad, eine BMW R 65 LS von 1983. Als erstes fällt die eigenwillige Form- und Farbgebung auf: Ein rotes Motorrad mit weißen Alu-Rädern, mattschwarzem Auspuff und kleiner, ebenso schwarzer Verkleidung.
„Das Design erinnert nicht ohne Grund an die Suzuki Kantana: Beide Maschinen wurden Anfang der 1980er von Hans A. Muth entworfen“, erklärt Jan-Simon. „Verglichen mit allen anderen klassischen VollschwingenBMWs ist die LS keine „Schönheit im herkömmlichen Sinn, so völlig ohne Zierlinien und mit der kantigen Lenkerverkleidung, das muss ich zugeben.“ Warum kauft ein 27-jähriger eine 36 Jahre alte Maschine, wenn sie nicht einmal „klassisch schön“ ist? „Weil sie etwas Besonderes ist und ich mich bei der ersten Probefahrt sofort wohlgefühlt habe.“
Als die R 65 vom Typ 248 im Jahr 1978 vorgestellt wurde, leistete der Boxermotor 45 PS – 5 PS weniger als in der damaligen Versicherungsklasse möglich. Die daraus resultierende Journalistenfrage nach dem Warum bügelte der Chefentwickler HansGünther von der Marwitz kurzerhand mit den Worten „Es reicht“ ab. 1981 wurde die R 65 LS präsentiert, jetzt mit vollen 50 PS und im Sportanzug als sportliches, aber dennoch auch für ausgedehnte Touren geeignetes Motorrad. Während unseres Gesprächs nutzt Jan-Simon immer wieder den Begriff „Kälbchen“ für sein Motorrad, wir wollen wissen warum: Lachend erzählt er: „Die Vollschwingen-BMWs mit Kardanantrieb neigen zu deutlichen Bewegungen in der Federung, wenn man Gas gibt oder wegnimmt. Ernst Leverkus, ein bekannter Motorradjournalist, verglich diese Bewegungen der Hinterradfederung einmal mit Kühen, die mit dem Hinterteil zuerst aufstehen. Daraus entwickelte er den Begriff „Gummikuh“, bei BMW-Fahrern teils zu „Kuh“ verkürzt. Da die R 65 die deutlich kleinere Schwester der R 80 und der großen R 100 ist, ist sie wohl kaum eine Kuh sondern eher ein Kälbchen.“
Jan-Simon erzählt schmunzelnd von seinem ungewöhnlichen Weg zum Motorrad: „Ich wollte – zum Leidwesen meines Vaters – nie Motorrad fahren, habe den Führerschein für die Arbeit als Prüfingenieur dann aber machen dürfen und habe Spaß daran bekommen. Die LS stand bei uns in der Nähe von Hamminkeln zum Verkauf, ich habe sie mir aus Jux angeschaut und dann tatsächlich gekauft. Denn ein klassischer Boxer, nach 36 Jahren noch unfallfrei und im Originalzustand, von dem gerade einmal 6.389 Stück gebaut wurden – Das ist schon was Besonderes.“
Noch bevor wir ein Foto machen können, beginnt es zu regnen und „das Kälbchen“ muss schnell ins trockene Wohnzimmer. So groß kann die Liebe zu einem Oldtimer sein.
Dieser Artikel wurde in der Kolumne
"Oldtimerfreunde Schermbeck e.V. und ihre Schätze"
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