Mit seinem braunen Zeltdach und den Sperrholzflächen würde der "Camptourist" bei einer Trendwahl vermutlich glatt durchfallen. Seine Fans stört dies allerdings nicht. Wie früher packt man einfach ein paar Campingartikel ins Auto und fährt mit seinem Faltcaravan zum nächsten Zeltplatz. So wie Jan-Simon, der uns seine Eindrücke der letzten Reise schildert:
„Eine Landstraße irgendwo zwischen Wesel und Münster, kurz hinter Brünen-glaube ich...Der Tacho zeigt 80 km/h, gut einen Meter vor mir schnurrt der 1,61-Motor meines 1988er Opel Kadett E und im Rückspiegel ist eine Schlange von fünf oder sechs Fahrzeugen zu erkennen. Ich gehe ein bisschen vom Gas, 70 km/h, denn gerade kommt mal kein Gegenverkehr und die anderen Fahrzeuge können mich etwas leichter überholen. Sie merken: Ich bummele nicht ohne Grund oder gar um andere Fahrer zu ärgern, nein, ich ziehe einen Anhänger. Am Haken des westdeutschen Kadetts hängt mein ostdeutscher Faltcaravan, ein Camptourist CT 6-2, mit dem das Gespann dann auch immerhin knappe acht Meter misst.
1985 wurde der Anhänger vom VEB Fahrzeugwerk Olbernhau in Sachsen unter der Handelsbezeichnung Alpenkreuzer in die Niederlande geliefert, von wo ein Freund ihn Anfang der 2000er Jahre an den Niederrhein holte. Die Grundidee der sächsischen Ingenieure ist durchaus als genial zu bezeichnen: Um den Bürgern des Arbeiter- und Bauernstaats das individuelle Naturerlebnis Camping komfortabler zu machen, als es mit Zelt und Luftmatratze im Trabant ohnehin möglich war, konstruierten sie ein großzügig dimensioniertes Zelt auf einem Anhängerchassis.
Ein geschweißter Stahlrahmen nimmt die Bodenplatte, das Zugrohr mit der DDR-typischen Zugkugelkupplung KK 82 des VEB Fahrzeugwerk Waltershausen sowie die Dreieckslenker der Einzelradaufhängung auf.
Damit auch leichte Zugfahrzeuge wie Trabant und Wartburg mit dem Anhänger ein sicheres Fahrverhalten an den Tag legen, spendierten die Konstrukteure dem Camptouristen direkt auch noch eine Auflaufbremse, die von der millionenfach bewährten Bremse des Trabant abgeleitet wurde. Nachdem der Deckel entlang der Längsseite aufgeklappt wurde, kommt das eigentliche Zelt zum Vorschein. Zu zweit ist das in etwa 15 Minuten aufgeklappt und abgestützt. Noch flugs mit Leinen abgespannt und der Urlaub kann für bis zu vier Personen auf gut 12 m2 beginnen. Zwei Liegeflächen von 1,4x2 m, von denen eine zur gemütlichen Sitzecke umgebaut werden kann, eine Küche mit dreiflammigem Gaskocher und Spülbecken. Die Exportversion des klappbaren Raumwunders wurde in der DDR als Luxusausführung vermarktet und unterscheidet sich vom Standardmodell durch das in zeitgenössischen Brauntönen gestreifte Zelt, am von Cramer aus der Bundesrepublik gelieferten Gaskocher und der Möglichkeit, die Küche vom Aufbau abzunehmen und an völlig anderer Stelle autark aufzubauen. Outdoor-Cooking ist also keine Erfindung der kapitalistischen Neuzeit.
Ob wandernd mit dem Zelt, im Wohnwagen oder mit dem Reisemobil, Camping hat viele Gesichter und ist immer das, was man daraus macht. Ich mache ganz nebenbei eine bewusste Zeitreise in die analoge Welt um den Alltagstrubel hinter mir zu lassen.“
Dieser Artikel wurde in der Kolumne
"Oldtimerfreunde Schermbeck e.V. und ihre Schätze"
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