Wenn der Mercedes Benz SEL seine Geschichte erzählen könnte, dann hätte er sicher Spannendes zu berichten. Das dachte sich ein Mitglied des Oldtimer-Clubs Schermbeck (ab sofort mit „Ich“ bezeichnet) und fragte kurzerhand Hubert, den jetzigen Besitzer des besagten Oldtimers, ob er ein Interview mit seinem Mercedes durchführen darf. Hubert stutze kurz, machte die beiden bekannt und das Ergebnis des außergewöhnlichen Interviews finden Sie nachfolgend an dieser Stelle.
Ich: „Guten Tag, unbekannter Schöner. Bitte teilen Sie den Leser*innen von „mein Wesel“ zunächst Ihren Namen mit.“
Henning: „Gerne. Mein derzeitiger Besitzer nennt mich Henning. Ich stamme aus der Familie der MercedesBenz S-Klasse und gehöre der berühmten W126-Baureihe an. Mein Nachfolger ist der W140.“
Ich: „Oh, das hört sich nach einer besonderen Ahnenreihe an."
Henning: „Das kann man so sagen. Immerhin wurde diese Reihe 12 Jahre lang produziert, von 1979-1991. 1985 gab es noch eine Modellpflege.“
Ich: „Da haben Sie bestimmt eine große Familie.“
Henning: ,,Ich denke, da gibt es gröBere. Als 420 SEL habe ich ca. 74.000 Geschwister."
Ich: „Ihr Lachen klingt so ausdrucksstark. Das hört sich sehr sympathisch an."
Henning: „Vielen Dank. Das liegt bestimmt an meinem V8 mit den 224 PS.“
Ich: „Das könnte sein. Ihr Äußeres gefällt mir übrigens ebenfalls sehr gut."
Henning (sichtlich geschmeichelt): „Danke sehr. Die meisten Familienmitglieder sind in dunkelblau, anthrazit oder schwarz gekleidet. Wir waren schließlich als Geschäfts- und Dienstfahrzeuge in der Politik sehr gefragt. Vielleicht auch, weil unser Innenraum 14cm länger ist als normal.“
Ich: „Lassen Sie uns kurz über Ihren Vater reden. Der ist eine richtige Berühmtheit."
Henning (sehr stolz): ,,Mein Vater ist ein richtiges Genie. Ich bin vom damaligen Mercedes-Benz Chefdesigner Bruno Sacco entworfen worden. Immerhin 41 Jahre hat er die Designs in unserem Unternehmen geprägt.“
Ich: ,,Eine großartige Leistung. Wenn wir schon über das Außere sprechen, lassen Sie unsere Leser doch auch etwas über Ihr Inneres wissen."
Henning (eifrig): „Ach, da gibt es einiges zu erzählen. Mein Innerstes ist ausgestattet mit Gardinen für Heckund hintere Seitenfenster. Erstmals bei Mercedes wurde ich mit elektrischer Sitzverstellung ausgestattet und habe Sitzheizung für alle vier Sitzplätze. Außerdem sind Fußkeile, eine Standheizung sowie ein Telefon in meinem Inneren zu finden. Leseleuchten im Fond gibt es ebenfalls...“
Ich (unterbreche ihn sanft): „Ok, ok, danke, aber ich glaube das reicht erst mal. Mit diesen Besonderheiten waren Sie aber bestimmt kein Schnäppchen.“
Henning: „Als ich im Oktober 2014 von meinem vierten Besitzer auf einer kleinen Oldtimermesse in Duisburg auf dem Thyssen-Krupp-Gelände entdeckt wurde, war der Preis akzeptabel. Aber zu meiner Glanzzeit kostete ich in der Grundausstattung ca. 88.000 DM, mit meinen Extras lag mein Preis ungefähr bei 158.000 DM.“
Ich: „Bitte erzählen Sie uns von Ihrem interessantesten Einsatz.“
Henning: „Meine interessanteste Zeit war mit Sicherheit mein erster Lebensabschnitt, als Dienstfahrzeug des damaligen, mittlerweile leider verstorbenen, Ersten Bürgermeister Hamburgs, Henning Voscherau, meinem Namensgeber."
Ich: „Lieber Henning, ich danke Ihnen für das Gespräch. Abschließend gratuliere ich Ihnen zu einem besonderen Jubiläum. Durch Ihre Erstzulassung im September 1990 sind Sie H-Kennzeichen-würdig.“
Henning (etwas verlegen): „Wer hat Ihnen denn das verraten? Das stimmt und darauf habe ich mich auch schon sehr lange gefreut. Vielen Dank.“
Dieser Artikel wurde in der Kolumne
"Oldtimerfreunde Schermbeck e.V. und ihre Schätze"
zuerst bei meinWesel veröffentlicht